Predigt über Markus 2,23-28 für den 20. Sonntag nach Trinitatis (13.10.2013) in Speldorf

[Kanzelgruß]

Der für heute vorgeschlagene Predigttext steht im Markus-Evangelium 2, 23-28

Das Ährenraufen am Sabbat
23 Und es begab sich, dass er am Sabbat durch ein Kornfeld ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen.
24 Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist?
25 Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren:
26 wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit Abjatars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren?
27 Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.
28 So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.

Die Geschichte ist plastisch, eine spannende Erzählung in sechs Versen.

Es geht um Jesu – und auch unsere Stellung zum Gesetz.

Diese Einordnung nehmen auich die anderen für heute vorgeschlagenen Lesungen ein, in der Evangeliumslesung ging es um Gottes Regeln für Ehe und Familie.

Regeln und Traditionen: Wieweit gelten sie, wieweit binden sie? Damals und was davon gilt auch für uns heute.

Als Beispiel wird der Sabbat – der Ruhetag – benutzt.

Welche Arbeit / Aktivität ist am Sabbat erlaubt?

Bei der Frage nach der Sabbatruhe geht es keineswegs um Trivialitäten, sondern durchaus Zentrum des Glaubens.

Dies ist für uns heute vielleicht schwer nachvollziehbar, aber für die Juden in der Nachexilszeit galt: Der Sabbat ist neben der Beschneidung der Bekenntnisakt, der die eigene religiöse Identität bestimmt.

Im Predigttext werden Schaubrote erwähnt, sie wurden in der Stiftshütte und später im Tempel ausgestellt, sie waren den Priestern vorbehalten.

Die Schaubrote (hebräisch lechem haPanim (

לחם הפנים

), Denkbrote, andere Bezeichnung Präsenzbrote), sind 12 ungesäuerte Brotkuchen aus Weizenmehl, nach der Zahl der 12 Stämme Israels. Sie wurden für jeden Sabbat neu bereitet und im Heiligtum der Stiftshütte und des Jerusalemer Tempels auf einem mit Goldblech überzogenen Tisch von Akazienholz, gemeinsam mit Weihrauch, als Opfergabe aufgestellt. Die alten Brote waren Teil der Versorgung der Priester mit Lebensmitteln.

Die Schaubrote galten für Israel als Bundeszeichen, wie etwa auch die Beschneidung und das Halten des Sabbats. (http://de.wikipedia.org/wiki/Schaubrote)

Das Markus-Evangelium erzählt einige interessante Details dieser Begegnung.

Nicht Jesus rauft Ähren, sondern seine Jünger tun das. Jesus wird wegen des Verhaltens seines Jünger angegriffen bzw. hinterfragt.

[Exkurs zu Pharisäer, Warnung vor Antijudaïsmus]

Jesus antwortet mit einem Beispiel aus der Geschichte seines Volkes (1 Samuel 21):

3 David sprach zu dem Priester Ahimelech: ..

4 Hast du nun etwas bei der Hand, etwa fünf Brote oder was sonst vorhanden ist, das gib mir in meine Hand.

5 Der Priester antwortete David: Ich habe kein gewöhnliches Brot bei der Hand, sondern nur heiliges Brot; nur müssen die Leute sich der Frauen enthalten haben.

6 David antwortete dem Priester: Sicher, Frauen waren uns schon etliche Tage verwehrt. Als ich auszog, war der Leib der Leute nicht unrein, obgleich es nur um ein gewöhnliches Vorhaben ging; um wie viel mehr werden sie heute am Leibe rein sein.

7 Da gab ihm der Priester von dem heiligen Brot, weil kein anderes da war als die Schaubrote, die man vor dem HERRN nur hinwegnimmt, um frisches Brot aufzulegen an dem Tage, an dem man das andere wegnimmt.

Hierdurch ergeben sich Parallelen: Jesus | David einerseits und Jesu Jünger | Davids Gefährten andererseits.

Wer die biblische Geschichte kennt, bemerkt, David war ein Gesalbter und Jesus hat als Ehrentitel bzw. Beinamen Christus, das griechische christos

ist eine Übersetzung des hebräischen Messias.

In der Not haben David und seine Leute das Gebot und die Tradition übertreten, Gebote sind nicht absolut. In Hungersnot muss das den Priestern vorbehaltene Brot zur Ernährung Hungernder herhalten.

Was für den Gesalbten David gilt, geziemt sich auf für den Messias Jesus – so der Unterton unseres Evangelimstextes

Jesu Antwort ist daher auch mehr als eine juristische Güterabwägung.

Und [Jesus] sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.

Jesus ist Maßstab – so das Evangelium. Ethik ist christologisch begründet. In diesem Sinne nehmen wir als Christinnen und Christen Gottes gute Gebote wahr.

Der Sabbat ist eine Schöpfungsordnung. Gott selbst ruhte – so lesen wir es in der Schöpfungsgeschichte. Der Sabbat ist wichtig, Ruhe ermöglicht Regeneration und neues Leben. Aber ein mechanisches Anwenden eines Gesetzes kann es in sein Gegenteil verkehren.

Da wir Gesetze von Jesus Christus her denken, ist es auch eine historische Konsequenz, dass die christliche Gemeinde die Sonntagsruhe an die Stelle der Sabbatruhe gesetzt hat.

Unser Predigttext stellt uns daher auich die Frage, wie gehen wir heute mit Regeln und Gesetzen um.

Vor kurzem war ich anderthalb Monate in Cleveland / Ohio bei unserer amerikanischen Partnerkirche, der United Church of Christ. Wenn Gesprächspartner erfahren, dass man aus Deutschland kommt, erzählen sie von eigenen Erfahrungen, die sie in Deutschland gemacht haben. Etwas, was für uns in Deutschland normal ist, wird aus der Perspektive eines Besuchers zu einem besonderem Erlebnis. So wundern sich Amerikaner, dass man in Deutschland nachts vor einer roten Fußgängerampel wartet. Andere berichten, wie man ihnen auf die Schulter tippte, wenn sie bei Rot ansetzten, die Straße zu überqueren.

In Deutschland sind wir gut, Regeln und Gesetze aufzustellen. Die deutschen Kirchen haben sogar ein eigenes kirchliches Datenschutzgesetz. Daten müssen geschützt werden, dazu werden eigene Infrastrukturen aufgebaut. Amerikanische Server gelten prinzipiel als nicht vertrauenswürdig. Als ich am ersten Tag das National Office betrat, teilten Mitarbeitende des Kirchenamtes ihren Google-Kalender mit mir. Ich erlebte und arbeitete mit einer sehr schlanken IT. Der Finanzdruck ist größer als bei uns in Deutschland. Nach meiner Rückkehr aus den USA stellt sich daher für mich die Frage: Welche Gesetzte und Regeln brauchen wir, um Kirche sein zu können. Dient ein eigenes kirchliches Datenschutzrecht dem Verkündigungsauftrag? In der United Church of Christ sind Hierarchien und Strukturen flacher als bei uns, ich habe die Befürchtung, dass manchmal Strukturen so mächtig werden, dass nicht genügend Ressourcen für Inhalte übrigbleiben.

Der Sabbat ist für den Menschen gemacht, Strukturen sind für Inhalte gemacht

– lässt sich unser Predigttext so in unsere Lage übertragen?

Vor diesem Hintergrund möchte ich Beispiele erwähnen im Bewusstsein, dass Jesus Christus unser Maßstab ist.

Erstens: Noch vor den Sommerferien stellte die EKD ihr Familienpapier vor, das seitdem kontrovers diskutiert wird. Unser Evangeliumstext handelte von Ehe und Familie.

Die biblischen Regeln für Ehe und Familie sind um der Menschenwillen da – dies sollte unsere Diskussionsgrundlage sein und dann müssen wir ausbuchstabieren, was dies bedeutet für Menschen, die ein lebenslang verbindlich zusammen leben wollen und gleichen Geschlechtes sind.

Zweitens: Unser Umgang mit (Jahres-)Zeit und Ruhe:

Wir haben sogar staatlich geschützte Sonn- und Feiertage, am Sonntag darf niemand sein Autowaschen. Wird das Feiertagsgesetz aber nicht sinnleer, wenn die eigenen Kinder noch vor Erntedank im Supermarkt quengeln, um Weihnachtssüßigkeiten zu kaufen. Für wen sind unsere Festtagstraditionen heute noch da? Müssen wir diese nicht neu entdecken? Nicht im Sinne von Verboten, sondern als Angebote, die unser Leben fördern?

Zum Schluss: Was kann der Sabbat heute für uns bedeuten? Auf der diesjährigen European Christian Internet Confeence sagte eine Vortragsrednerin: „Ich glaube an den digitalen Sabbat – wir müssen auch mal offline gehen.“

Offline heißt: Handy und PC nicht 24/7 ansein lassen und rund um die Uhr kommunizieren, sondern Zeit haben für sich selbst und andere in der eigenen Umgebung. So können wir entdecken, dass das von Gott durch die Schöpfung gegebene Gebot der Ruhe auch unser Leben im 21. Jahrhundert bereichern kann.

Sabbatruhe, die traditionelle Sonntagsruhe oder der „digitale Sabbat“ – es gilt für uns:

Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.
So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.

Amen.

Wochenspruch: Micha 6,8:
Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der HERR von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.


Lied 452 1-5 Psalm 19 = 708.1 Lied 295 1-4 Lied 675 1-4 Lied 673 1-3

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