Mein Schwiegervater steuert mit einem Pickup-Wagen auf den Behindertenparkplatz direkt am Eingang des Einkaufzentrums zu. Als der Parkwächter auf ihn zukommt, drückt er ihm einen Zwanzig-Peso-Schein in die Hand. Der Parkwächter nickt freundlich und wir gehen einkaufen.
Im Geschäft erklärt mir mein Schwiegervater: Durch das großzügige Trinkgeld auf dem Parkplatz habe er immer einen guten Parkplatz am Eingang. Auch für den Parkwächter lohne sich diese Praxis. In Mexiko liegt der Mindestlohn bei 150 Peso am Tag. Wenn der Parkwächter acht Mal am Tag die Behindertenparkplätze für 20 Peso zusätzlich vermieten könne, habe er sich schon den Minimalverdienst erarbeitet.
Als wir nach dem Einkauf zurück zum Auto kommen, läuft uns schon ein Helfer des Parkwächters entgegen, übernimmt den Einkaufswagen und lädt die Lebensmittel auf die Ladefläche des Pickups. Auch er erhält ein Trinkgeld – so funktioniert hat das Wirtschaftsleben im Kleinen.
Das System des Trinkgeldes und die Wirtschaft der Großzügigkeit mögen oberflächlich funktionieren und gegenseitig vorteilhaft erscheinen, aber es ist wichtig, die zugrunde liegenden Probleme zu hinterfragen. Die Abhängigkeit von Trinkgeldern, um das niedrige Mindestgehalt aufzustocken, zeigt die unzureichende Bezahlung in vielen Beschäftigungsverhältnissen. Dies verdeutlicht die größere Problematik der Einkommensungleichheit, mit der viele prekär Beschäftigte kämpfen. Obwohl vorübergehend Zufriedenheit entstehen mag, müssen wir die systemischen Probleme angehen, um eine gerechtere Gesellschaft für alle zu schaffen.