Als evangelische Kirche haben wir zu vielen Themen Positionen, wir sind für Klimaschutz und gegen Kinderarmut, unsere Landeskirche hat ein Friedenswort verabschiedet und unsere Diakonie engagiert sich gegen Wohnungsnot im Bündnis “Wir wollen wohnen!”. Bei Netzpolitik sind wir leider noch nicht sprachfähig. Ob Wohnungsnot, Kinderarmut, Frieden oder Bewahrung der Schöpfung, Positionierungen von Kirche und Diakonie fallen nicht vom Himmel, sondern setzen einen Diskussionsprozess voraus, in dem Positionierungen erarbeitet werden. Bei netzpolitischen Themen vernehme ich ein Schweigen. Auch wenn es (noch) keine evangelische Position gibt, wäre schon viel gewonnen gewesen, wenn die #digitaleKirche einen Diskussionsprozess angestoßen hätte. So bleibt Netzpolitik eine unerledigte Aufgabe für die #digiatleKirche.
In den letzten Tagen, als die Urheberrechtsnovelle mehr und mehr ein Thema in den Medien war, wurde ich verschiedentlich angesprochen und angefragt. Technisch und auch politisch kann ich eine Einschätzung geben, aber kann ich auch theologisch etwas sagen?
Netzaktivist*innen, Jugendliche, Verbraucherzentralen sowie Google, Facebook & Co auf der einen Seite, Verlage, Verwertungsgesellschaften und Berufsverbände auf der anderen Seite: die Diskussion über die Urheberrechtsinformation bringt interessante Allianzen hervor. In wessen Gesellschaft möchte ich mich begeben?
Ist das moderne Urheberrecht eine Errungeschaft der Aufklärung, die es um jeden Preis zu bewahen gilt? So jedenfalls argumentiert Heribert Prantl:
Ich mag den Wert, den das geistige Eigentum verkörpert – den materiellen, den immateriellen und kulturellen Wert. Ich mag auch die Geschichte dieses Urheberrechts, sie ist eng mit der Geschichte der Aufklärung verbunden. Ich wünsche mir, dass die Aufklärung und das Urheberrecht eine Zukunft haben.
Soll daher der Eigentumsschutz leitend sein? Oder darf man auf freies Teilen des Wissens setzen? Was ist unsere Vision für das Internet? Sicherlich nicht die Dominanz von Google, Facebook & Co. Aber sollen an deren Stelle europäische/deutsche Verlage treten, die noch immer tragfähiges Geschäftsmodell für die digitale Ökonomie suchen? Oder ist unser Leitbild ein freies Teilen für möglichst viele?
Ein Beispiel: Auch Software ist urheberrechtlich geschützer Code. Freie Software ermöglicht ein freies Teilen des Codes. Auch wenn Software frei inspiziert und weitergegeben werden darf, so leben dennoch Programmierinnen und Programmierer davon, dass sie Software erstellen, jedoch ist das Geschäftsmodell ein anderes. Die Dienstleistung der Programmierer wird bezahlt, aber Nutzerinnen und Nutzer brauchen keine Lizenzgebühren zu bezahlen. Muss die Verwertung im Kreativ-Bereich immer über Verlage und Medienunternehmen gehen? Lassen sich im Internetzeitalter nicht auch andere Geschäftsmodelle für Künstlerinnen und Künstler finden?
Welche Visionen haben wir für das Internet? Lassen sich diese theologisch begründen? OER, Open Access, Freie Software – geistiges Eigentum lässt sich verlustfrei teilen. So fordert beispielsweise der Kirchenvater Augustinus:
„Omnis enim res, quae dando non deficit, dum habetur et non datur, nondum habetur, quomodo habenda est.“
(„Wenn eine Sache nicht gemindert wird, da man sie mit anderen teilt, ist ihr Besitz unrecht, solange man sie nur allein besitzt und nicht mit
anderen teilt.“)
Natürlich bietet Augustinus keine Handlungsempehlung zu Artikel 13 der EU-Urheberrechtsreform. Aber: wenn wir theologisch grundsätzlicher denken, ergeben sich hoffentlich auch Positionen, die wir als Kirche zu netzpolitischen Themen begründet einnehmen können. Also: Theologie: ja bitte und Netzpolitik: ja bitte.
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